Hallo Ihr lieben Interessierten,
sicher haben einige, gerade die damals Älteren Kinder unter euch Recht positive Erinnerungen an die Zeit in Zinnowitz, wo sicherlich auch nicht alle Erzieher eine gleiche liebevolle Qualität an den Tag legen wie in den Erfahrungen die ich gemacht habe.
Erst
einmal habe ich mich ganz dolle gefreut, dass es jetzt einen eigenen Blog zu dieser Thematik gibt. Natürlich muss ich versuchen mein Erlebtes so sachlich wie möglich wiederzugeben, denn in mancherlei Hinsicht, kann ich beim Wiedergeben des Erlebten in wütender Raserei verfallen.
Ich habe wirklich schon sehr lange versucht überhaupt jemanden zu finden, der
1. Auch dort war und 2. vielleicht dieselben Erfahrungen gemacht hat und nicht gleich
davon ausgeht, dass man eine Schraube locker hat oder an irgend einer Psychose
leidet.
Also ich für meinen Teil, war im Juni/Juli 1986 ca dort. dort gewesen wegen meiner
Neuroderamitis. Eigentlich noch sehr sehr klein, muss ca. 6 Jahre alt gewesen
sein. Ich weiß noch, dass ich genau vor meiner Einschulung zurück gekommen und
die war ja allgemein mit 6-7 Jahren.
Ich habe erst gar nicht verstanden warum ich dort hin sollte, weil es mir
gesundheitlich meiner Meinung nach ja eigentlich ganz gut ging. Nun ja, die
Erwachsenen scheinen das ja generell anders als die Kinder zu sehen.
Es ging damals vom Magdeburger Hauptbahnhof per Bus und 30 anderen Kindern
allen Altersgruppen los. Ich muss sagen, dass ich allgem. ein sehr gutes
Gedächtnis habe und mein Erinnerungsvermögen geht bis ins 3 Lebensjahr.
Dort angekommen, kamen wir von der Forderseite (nicht dem Haupteingang) des
Sanatoriums an.
Das weiß ich deswegen noch so genau, weil ich die bunten nach oben hin runden
Fenster so schön fand. Als Erstes mussten sich alle Kinder erst mal auf den
langen Bänke hinsetzen die dort standen und alle Sachen, Packtaschen,Brottaschen,
Kuscheltiere wurde abgenommen.
Ich kam später zu den Kindern die schon dort gesessen haben dazu, weil ich noch
meinen Koffer holen musste. Die Kinder haben gleich gesagt, "Hast du
Süßes?" Dann versteckt es.....
Die Erzieher kamen dann auch gleich und ich hab die Rolle Smarties von Oma gut
versteckt...alles andere wurde mir weggenommen.
Als mir alles abgenommen und alles untersucht wurde...verschwanden die
Sachen in irgendeinem Verwahrraum wie sie es nannten.Das fand ich alles schon
sehr merkwürdig.
Dann gabs Kaffee mit regelrecht drauf gekratzter Butter und Marmelade...( vielleicht
kennt ihr bestimmt die kleinen abgepackten Konfitürebecher die man auch immer
im Hotel bekommt) Die gabs ja schon zu DDR Zeiten und eines davon……reichte sage
und schreibe für 5 Kinder.
Es stellte sich unsere Erzieherin vor. Eine davon war Frau Wegner, Leider weiß ich Ihren Vornamen nicht mehr und die
andere (die Vertretung für Wochenenden) eine gewisse Frau Schubert. Daran kann
ich mich noch gut erinnern weil ich zu Hause auch eine Freundin hatte die
Wegner mit Nachnahmen hieß.
Ich konnte nicht mal meine Schnitte essen, da ging es auch schon weiter. Wir
wurden in unseren Schlafsaal (regelrecht wie eine Herde Vieh oder bei der NVA
in 2-er Reihen) getrieben. wir mussten (für mich als Kind gesehen) durch einen
elendig langen Flur.Die waren schon so eklig mit diesen weiß braunen Fließen im
Dame-Spielfeld Muster ausgelegt. Völlig steril und überhaupt nicht
einladend.Der Schlafsaal hatte eine große Schiebetür dort ging man 3 Stufen
runter dort wurde der riesiger Raum 2 mal geteilt.
In der Mitte war der Ausgang Richtung Strand. Davor hatte jeder seinen kleinen
Kleiderschrank, Spinntähnlich.
Dieser Raum war zweigeteilt. Wir die (die Kleineren waren) wurden nach links geführt und dort standen dann
unsere Kojenbetten immer an der Wand lang. Da ich mal wieder zu träge war...habe
ich natürlich das blödeste Bett direkt am Ausgang bekommen.
Wenn ich im Bett gesessen habe konnte man direkt durch die Glastür ins
Schwesternwachzimmer gucken. Ich fand das damals schön völlig doof auch wenn
ich komischer Weise nie in meinem Leben über Heimweh klagen konnte. Ich reise
auch heute noch sehr gerne.
Die 1 Woche war noch in Ordnung. Klar wir waren ja auch die Neuen.
Aber nach der 2 Woche sah es schon anders aus. Die Zügel wurden angestrafft und
zugegeben an jeden einzelnen Tag kann ich mich auch nicht mehr erinnern. So
viel Schönes scheint es nicht gegeben zu haben, dann wüsste ich das noch.
Anstatt mit den Kindern liebevoll umzugehen und zu sprechen, sich hinzusetzen
und sich mit uns zu beschäftigen, hatte ich bald das Gefühl einfach nur ein
lästiger blöder Job zu sein.
Irgendwann war mir das alles zu viel und ich habe einfach aufgehört zu reden.
Ich wollte nur noch nach Hause. Man kam ja ohnehin nicht gegen die Erzieher an.
Frau Wegner und Ihre Vertretung Frau Schubert (Deren Mann auch dort als
Erzieher arbeitete) waren eigentlich nur noch am brüllen.
Tägliche
Schimpftiraden und grobe körperliche Handlungen waren eigentlich völlig normal.
So was kannte ich von zu Hause nicht und war für mich eine völlig neue
Erfahrung. Eine Erfahrung auf die ich gut und gerne verzichtet hätte.
Kinder sind eben Kinder und klar es gibt immer welche die mal aus der Reihe
tanzen. Ich bin selbst Mutti eines kleinen 1 1/2 jährigen Sohnes. Aber ich empfinde
so viel Liebe und Führsorge, ihm gegenüber. Ich kann so was
einfach nicht verstehen, wie jemand so gleichgültig und brutal Kindern
gegenüber sein kann. Das bricht mir echt das Herz. Ich hab so was herzloses noch
nicht erlebt. Mir treibt das richtig die Tränen in die Augen. Wenn ich wüsste
jemand würde meinem Sohnemann so etwas antun. Ich weiß nicht ob der das überleben
würde. Heute sagen ja immer alle „Es waren andere Zeiten“ Aber auch da war
eigentlich das schlagen von Kinder verboten…oder?
Ich
hab mir damals so gewünscht meine Eltern würden mal anrufen oder einfach
vorbeikommen, damit ich denen alles erzählen kann, wie man uns dort behandelt
hat. Jedes mal wenn ich gefragt habe, ob meine Mami angerufen oder mir einen
Brief geschrieben hat, hieß es…..Nein böse Kinder kriegen keine Post und
anrufen tut dich hier sowieso keiner. Ich hab damals wirklich gedacht, ich sehe
meine Eltern niemals wieder.
Ich
habe später meine Eltern darauf angesprochen, warum sie mich nicht einmal
besucht hatten. Sie sagten mir damals, dass sie sehr oft versucht hatten mich
telefonisch zu erreichen, meine Mutti mir jeden 2 Tag Briefe geschrieben hätte.
Keiner der Brief oder auch nur ein Telefonate hat mich davon jeh erreicht.Meine
Mutti sagt, Frau Wegner hätte jedesmal gesagt, wir wären mit Frau Schubert am
Strand oder in der Turnhalle und es war jedesmal gelogen. Die ankommenden Briefe
und Paket wurden nach Geld und Geschenken geprüft, aussortiert und der Rest
(die Briefe an die Kinder) weggeworfen.
So nach ca. 3 Woche ungefähr konnten einige Kinder Nachts nicht schlafen. Viele
hat Heimweh geplagt und einige haben jede Nacht geweint. Ich weiß das einer von
denen Thomas hieß er (der war eigentlich der Mutigste von uns allen. Der hat
sich wirklich auf nichts einen Plan gemacht. Aus heutiger Sicht ein richtiger
Bengel eben, wie Kinder halt so sind.)eben mal aufstehen und mal rum rennen
müssen. Du musst dir mal denken wie oft ich Abends zu meinem Sohn ans Bettchen
gehen muss, weil er weint und ich ihn trösten muss. Das ist eben so in dem
Alter.
Klar, dass ich dadurch natürlich auch nicht schlafen konnte. Was blieb mir also
anderes übrig als das Schauspiel mit anzusehen. So ging das eine ganze Weile.Thomas
steht auf rennt zur Wand, schlägt an und wieder ab ins Bett. Bestimmt eine
halbe Stunde oder länger und er tat das wirklich mit einer wachsenden
Begeisterung.
Bis das dann irgendwann die Erzieherinnen mitbekommen haben und herein gestürmt
kamen. Wenn dir jemand im Stockdunklen mit einer Taschenlampe ins Gesicht
leuchtet, denkst du doch der Krieg bricht aus. Natürlich gabs dann ein riesen
Geschrichte und wütende Androhungen. Wir haben natürlich alle versucht so zu
tun als würden wir schlafen, und mein Herz schlug schon bis zum Hals. Ich hab
irgendwann nur noch meinen Teddy schützend vor die Augen gelegt, damit die
Erzieher mir nicht ins Gesicht gucken können. Denn ich war nicht sehr gut in
Sachen so tun als ob, Na ja irgendwann haben sie wohl nur einen gebraucht an
dem man ein Exempel statuieren konnte
und was lag da wohl naheliegender als mich im Bettchen Nr. 1 welches ja das 1.
war zu greifen.
Sie
riss meine Bettdecke hoch,…eigentlich flog die nur so durch die Luft. hab ich
es in Erinnerung. Riss mich am Arm aus dem Bett und schleppte mich mehr
schleifend als gehend ins Wachzimmer.
Dort saß dann (schätze es war ihr Mann)und noch eine andere Schwester...alle
rissen an mir rum und fragten warum ich das gemacht habe. Brüll mal ein Kind in
dem Alter an und erwarte darauf eine Antwort.
Ich
war sowas von eingeschüchtert und geschockt, dass ich gar nichts mehr sagen
konnte. Ich hatte nur noch Panik….das die mich umbringen in dem Moment. Mal
ganz ehrlich die großen Kinder haben ja auch immer erzählt…wenn man nicht artig
ist würden die einen in den Keller unterm Sanatorium stecken und die Kinder die
dort waren würden nie mehr raus kommen.
Wenn
jemandem sowas erzählt wird…dann glaubt man irgendwann alles. Gerade wenn man noch so klein ist wie wir es
waren. Wie gesagt, ich habe irgendwann komplett dicht gemacht und mir
vorgestellt, ich wäre irgendwo da wo Frieden ist. Egal wo nur nicht dort. Ich
habe die ganze Zeit kein einziges Wort gesagt. Es lief ab wie im Film. Als die
Predigt von denen scheinbar nicht die entsprechende Wirkung an mir zeigt,
sollte ich mich dann zur Strafe nackt ausziehen...und dann haben sie mich die
ganze Nacht nackt in die Ecke gestellt. Es war kalt und ich war total alleine,
habe irgendwann nur leise angefangen zu weinen. Gebracht hat es allerdings
nichts…wo bei denen das Herz sitzen sollte, war scheinbar nur ein kalter Stein.
Am anderen Morgen dann, ich durfte irgendwann nach einer endlosen Zeit und Kälte
in mein Bett zurückkehren, kam Frau Wegner um uns wach zu machen.
Dann gings aber erst richtig los. Wenn du denkst Bin Laden ist schon schlimm,
dann war Frau Wegner in diesem Moment der Terrorfürst höchst persönlich für
mich. Sie schrie, nein sie tobte wie am
Spieß oder von der Tarantel gestochen auf uns ein. Ob wir denn alle noch ganz
dicht wären. Sie wollte wissen wer hier die Nacht so ein Theater veranstaltet
hatte.
Da keiner von uns mit so einer Reaktion gerechnet hatten, saßen alle Kinder
schweigend und verängstigt in Ihren Betten. Ich hab mir jedes Kind angeguckt,
jede Reaktion ist bei mir haften geblieben. Einige schauten betreten weg,
andere fingen an zu weinen, wieder andere waren total steif, wie ich. Ein
Mädchen aus meiner Gruppe sagte dann, dass es keiner von gewesen war. Du kannst
dir nicht vorstellen, was dann passierte.
Frau
Wegner…ich weiß, dass noch als wäre es gerade eben passiert. Es waren nur drei
Schritte von Ihr und sie schnappte sich das Mädchen am Hals und zog Sie am Hals
baumelnd aus dem Bett. Für mich kam das wie eine Ewigkeit vor, als würde ein
Film wie in Zeitraffer an mir vorbei gleiten. Auch wenn es vielleicht nur 10
Sekunden waren, dennoch hatte ich so viel Angst, wie noch niemals im Leben
zuvor. Ich habe wirklich geglaubt „Jetzt bringt sie uns alle um“
Wenig
später ließ sie dann von dem Mädchen ab. Ob sie ein schlechtes Gewissen hatte
kann ich nicht sagen, auf jeden Fall ging die Brüllerei weiter. Dann kann ich
mich nur noch erinnern, dass sie zu Tomas ging und ihm eine richtig derbe ins
Gesicht klatschte. Einfach so. Thomas saß einfach nur da. Als sie an mir
vorüber zog hat sie mich keines Blickes gewürdigt. Wir haben dann im Anschluss
2 Tage, Strand und Spielverbot bekommen. Wir mussten im Schlafsaal bleiben.
So
viel mal zu den allgemeinen Umgangsformen die man dort gegenüber uns
pflegte. Dann gabs da noch die vielen
Gemeinsamkeiten die ich ebenfalls in den Blogs dazu lesen konnte. Nackt um die
Höhensonne rennen und das Strafduschen mit eises kaltem Wasser. Das war alles
noch harmlos. Ich erinnere mich noch an diese echt gruseligen Kellerräume wo
diese riesen Waschütongs oder was auch immer das war, standen. Aber das merkt
man nach einer gewissen Zeit nicht mehr.
.
Dann weiß ich noch von einer Begebenheit im Umgang mit Bettnässern. Da hatten
wir auch einige unter uns. Was eigentlich bei dieser seelischen Grausamkeit den
Kindern gegenüber kein Wunder gewesen ist.
Auf
jeden Fall, gab es in unserem Trakt scheinbar eine gute Zwangsmaßnahme den
Kindern das einpullern ab zu gewöhnen. Wir durften (mussten) uns nackt
ausziehen. Wurde eiskalt abgeduscht und mit einem Straßenbesen sauber gemacht.
Das werd ich auch nie vergessen. So habe ich mir später Auschwitz vorgestellt.
An Strandtagen die übrigens sehr sehr selten waren, weil wir meist nur in den
Wald am Kurpark wo dieser einsame Pavillion stand gegangen sind, wurden wir
gleich belehrt dass wir Geld mitnehmen sollen. Das Taschengeld was unsere
Eltern uns mitgegeben haben durften wir aber nur selten für Eis oder so
ausgeben. Weil die Damen Erzieherinnen sich davon regelmäßig gern und freizügig
bedient haben. Wo das Geld geblieben ist weiß ich nicht.
Sicherlich
werden sich sie davon das ein oder andere Eis zu gesponsert haben. So zum Ende
hin, da erinnere ich mich auch noch sehr gut, waren wir in einem
Souvenirladen, wo wir alle etwas schönes für unsere Familien kaufen sollten. Dafür
sind wir sogar extra mit dem Bus nach Albeck gefahren. Ansicht war das mal ein
schöner Tag für uns. Einer der wenigen.
Da
gab es dann so völlig schräge Mitbringsel wie Würfelbecher, Sammelwandteller
aus Holz mit dem Aalbecker Stadtwappen drauf, ebenso diese hässlichen Retrosalzstreuer
als Pilz im 2 er Set. Die Dinger hab ich glaub ich immer noch bei meinen
Eltern…. Oder diese kleinen Becher wo Stecknadeln drinnen waren. So einen Mist
wollte ich eigentlich nicht kaufen. Mir hat da nicht so wirklich was gefallen.
Die anderen Kinder hatten schon was gekauft nur ich zögerte noch. Das dauerte
Frau Wegner offenbar zu lange.
Da
hat mir Frau Wegner mein Portemonnaie einfach aus der Hand genommen und meinte,
na wenn du nichts haben willst, dann holen wir uns was Schönes davon. Daraufhin
fasste ich dann all meine Mut zusammen und sprach, dass sie das besser lassen
sollte, sonst würde ich meine Eltern anrufen und mein Papi würde ihr dann dafür
eine Klatschen. .
Von da an glaub ich war es für mich gelaufen. Egal was, ich war immer drann, ob
es zerren an den Gliedmaßen war oder leichtes Schubsen….aber nie so…das man
blaue Flecken sehen konnte. Denn wir mussten ja jeden Abend und jeden frühs zur
Visite.
Dann
erinnere ich mich noch an eine Situation. Also ich auf Toilette musste und
nicht gehen durfte. Angeblich wären die anderen bereits zu Hause gegangen und
ich soll nun zusehen. Ich musste dann in den Dünen ein Loch schaufeln und mein
Geschäft da verrichten. Das muss man
sich mal vorstellen.
Zu
deiner Information muss ich noch erwähnen, dass ich zu Kindes Zeiten starker
Neuroderamitiker gewesen bin. Bei Stress wuchs das Verlangen in mir mich zu
zerkratzen. Dieses unaufhörliche jucken, dass wie ein Lauffeuer den ganzen
Körper befällt und erst gestillt ist, wenn man bis auf das Fleisch runter
gejuckt hat. Der Effekt hat dann auch nicht lange auf sich warten lassen. Nach
ein paar Tagen hat dann alles lecker gesuftet aber wenigstens hatte ich dieses
Jucken nicht mehr. Die Tage vergingen nur noch wie im Traum für mich. Ich hab
völlig abgestellt gehabt.
Zu den Visiten, zumindest war das in unserer Gruppe so, war es immer morgens
nach dem Aufstehen und waschen und vor dem ins Bett gehen. Obwohl mal Visite
dazu auch nicht wirklich sagen kann denn alle Kinder saßen dann wie die Hühner
auf der Stange auf diesen kleinen Sportbänke nur im Bademantel bekleidet an der
Wand entlang.
Jeder musste warten bis er dran war. Wenn man dann der Nächste war, musste man nackt
in das Zimmer auf eine kleine Bank steigen und sich von oben bis unten begaffen
lassen. Vielleicht ist es in den Augen Anderer übertrieben aber ich hab mich damals
sehr geschämt. Richtig tief geschämt ich fand das fürchterlich….aber ich denke
das war alles in allem noch in Ordnung. Weniger in Ordnung war, dass die Herren
Doktoren dort (Wo auch immer die Medizin
studiert hatten) nicht wirklich Ahnung von medizinischen Wechselwirkungen
hatten. Die Neuroderamtiker unter uns (Wie ich) wurden erst mal ALLE auf
Kortison gesetzt. Dazu Kortisonsalbe und Teersalbe (diese Tiefschwarze Salbe
die auch noch so roch als wäre es frischer Asphalt)
Jeden Tag gab es eine andere Salbe oder eine neue Sorte an Tabletten...
Irgendwann hatten sie dann soviel an mir ausprobiert und in mich rein gepumpt,
dass ich eine saftige (richtig Saftig) Schmierinfektion hatte. Wer sich ein
bisschen mit Medizin oder Doktor Haus
auskennt weiß, dass daraus locker eine große Sepsis hätte entstehen
können, und ich hätte auch daran sterben können. Vorsorglich oder vielleicht auch aus der Angst
herraus die Dinge welche im Hause passieren könnten an das Tageslicht geraten kam
ich auf die Krankenstation. Das waren dann die schönsten 14 Tage meines ganzen
Aufenthaltes dort. Dort war eine ganz jung und eine etwas ältere
Krankenschwester, die ganz anders als Frau Wegner und Frau Schubert, sanftmütig
und Liebevoll waren. Sie haben uns Bücher vorgelesen und dort haben wir richtig
gutes Essen bekommen.
Das Zimmer in dem ich gelegen habe war ein kleiner schmaler Raum mit für heute
verhältnismäßig schrecklicher Retrotapete und braunen Vorhängen am Fenster. Es
war ein 4 Bett Zimmer. 3 davon standen quer im Raum und Eines stand an der Wand.
Ich habe dort ein Mädchen kennengelernt. Cindy hieß sie , es kann
aber auch die nette junge Schwester gewesen sein, so richtig an den Namen kann
ich mich nicht erinnern. Das Mädchen, ich nenn sie jetzt mal einfach Cindy war ca
1 Jahr jünger wie ich und bisher alleine dort. Sie hatte beide Arme in Gibs und
saß dort auf ihrem Bett und lächelte mich an.
An den Betten gab es einen kleinen Nachtisch aus Eisen und einen kleinen DDR
Hocker. Die kann man heute wieder kaufen bei Ikea (dünner Fuß und Oben und
Unten breit wie ein Teller)
Cindy verhielt sich am Anfang sehr merkwürdig fand ich. Ich hatte erst gedacht,
dass sie leicht Geistesgestört ist, weil sie wirklich andauernd (alle 10 min)
aus dem Bett auf den Hocker stieg und dann schien es mir fast mutwillig sich
vom Hocker fallen ließ. In der Hoffnung ihr würde noch was brechen. Sowas wie
heute…Menschen mit solchen Ticks…oder wie eines dieser Tiger im Zoo die ständig
im Kreis rumlaufen, weil sie schon völlig Gaga sind.
Auf jeden Fall hab ich sie gefragt was sie gemacht hatte. Cindy meinte sie wäre
aus dem Fenster gefallen. Was ich ihr aber nicht geglaubt habe. Aber als ich
die Schwester danach fragte, meinte sie sie wäre wirklich aus dem Fenster
gefallen (Klar….aus dem Fenster gefallen…wie kann denn ein 5 jähriges Mädchen
einfach so aus dem Fenster fallen….) Wir lagen dann 14 Tage zusammen und wir
haben uns angefreundet. Sie hat auch
sehr oft Nachts geweint. Ich hab sie oft getröstet und ihr gesagt dass alles
bald vorbei ist und wir wieder nach Hause können.
Ich
hatte später noch versucht den Kontakt zu halten, aber leider weiß ich nicht
was aus Ihr geworden ist. Wer weiß…ich hoffe noch immer sie irgendwann wieder
zu finden. Vielleicht ließt dass hier ja auch einer der anderen Bloggerinnen
und fühlt sich angesprochen. Sagt vielleicht…“Ja, dass bin ich“.
Auf
jeden Fall sind doch dass Zustände gewesen. Das hat sich sowas von eingebleut
bei mir das kannst du dir gar nicht vorstellen.
Das Krankenzimmer lag übrigens möchte ich meine auf selber Höhe vom Verwahrraum
und genau gegenüber dem Visitenzimmer. An einem Tag habe ich auch gesehen, wie
Frau Wegner ein großes Paket herausgeholt hatte. Darin lagen 4 Pralinenkästen
aus dem Exquisitladen, (oder wie hieß das zu DDR Zeiten, dieser teure Laden wo
man so Westzeugs kaufen konnte?
Davon haben wir Kinder allerdings nie etwas gesehen, geschweige denn etwas
abbekommen. Aber die Verpackung lag im Anschluss bei den Erzieherinnen. Das
sagt so ziemlich schon mal alles. Ich weiß nicht ob sie die dort gegessen oder
nach draußen hin verscheuert haben. Das kann man sich wohl aussuchen. Als ich
das später mal meiner Mutter erzählt habe, sagte sie, dass sie in der Tag mal
ein Paket mit 4 Pralinenkästen auf die Reise geschickt hatte. Allerdings für
die Kinder und nicht für die Erzieher. Dafür hatte sie Denen Kaffee und Kuchen
beigelegt.
So ziemlich zum Schluss meines Aufenthaltes sollten wir dann oder besser gesagt
mussten wir alle diese tollen pseudo ach wie schön ist es doch hier Briefe nach
Hause schreiben. Ich weiß nicht ob ihr das auch musstet, aber ich denke, dass
war in jeder Gruppe das Selbe.
Wir bekamen diese voll hässlichen weiße 10pfennig Postkarten zum selber bemalen
und sollten ein Boot und das Meer malen. Mit lachenden Kinder und so...die Welt
ist ja so in Ordnung...
Da
habe ich gesagt, dass ich das nicht malen werde und auch nichts schreiben werde
weil ich noch gar nicht schreiben kann. Aber glaub mal nicht...ich wurde
gezwungen dieses blöde Boot zu malen mit dem Meer zu malen. Frau Wegner hat
mich angebrüllt, ich soll mich nicht so anstellen endlich ein bisschen eingliedern. Und den Text
denn solle ich doch gefälligst abmalen.
Denn
schrieb sie uns dann fein säuberlich auf ein Blatt Papier. Liebe Eltern, uns
geht es gut, es ist schön hier ich vermisse euch. Sowas geheucheltes…von Vorne
bis Hinten, nur erlogen! Ich musste solange da bleiben, bis ich diese doofe
Karte fertig hatte. Das war die einzige Post die von uns nach Hause ging. Um
das auch so heile Weltbild in Zinnowitz aufrecht zu erhalten.
Wenn ich das hier schreibe, merke ich richtig wie mir das Blut in den Adern
gefriert und mein Puls so langsam den Hals lang hochkrabbelt. Das macht mich
sowas von wütend, dass ich der Frau Wegner noch heute ins Gesicht springen
könnte. Ich bin mit beiden Armen bandagiert nach Hause gekommen. Meine Eltern
haben mich dank der guten und fürsorglichen Versorgung des gesamten Ärzteteams erst gar nicht wieder erkannt als ich am Hauptbahnhof angekommen
bin. Als wir dann bei Frau Doktor Hel-XX-dach, meine Haushautärztin in Magdeburg waren und sie
sich meine Arme angesehen hatte, hat sie nur den Kopf geschüttelt, denn sowas
hat auch sie noch nicht gesehen.
Ich weiß nicht, vielleicht waren es andere Zeiten damals, aber wäre das
meinem Junior in der heutigen Zeit passiert, ich hätte die Verantwortlichen
aber sowas von zur Rechenschaft gezogen. Sowas wäre heute undenkbar. Klar als
Kind wollte ich nur zurück zu meinen Eltern, über Gericht und Anklage hat man
damals nicht nach gedacht. Es wurde eben alles auf staatlicher Ebene
totgeschwiegen.
Als ich nach meiner letzten Sitzung auf der Couch meine Mutter auf die damaligen Situation angesprochen habe, meinte Sie, dass mein Vater und Sie im Anschluss gleich bei unserem ABV´ler waren. (Also dem netten Volkspolizisten von Nebenan) Herr Rei...rdt.
Ich muss den Namen hier mal ausblenden, kann aber bei Bedarf ausgeschrieben werden. Der Fall wurde von Ihm aufgenommen. 2 Jahre später, es war schon nach der Wende haben wir Akteneinsicht verlangt und fest gestellen müssen, dass der Vorfall nie weiter verfolgt und zu den Akten gelegt wurde.
Als ich so klein, habe ich es eine Zeitlang vergessen muss ich
sagen. Aber irgendwie hat es nur in mir geschlummert. Irgendwann brach das dann
alles wieder hoch. Ich hab dann nach der Wende versucht etwas auf eigener Faust
da war ich glaub ich 14 Jahre oder herauszufinden. Aber da gabs ja auch noch kein
Internet und das World Wide Web mit Bloggs und Suchmaschinen. Ich wusste zum
Beispiel bis vor 14 nicht einmal mehr, dass das Sanatorium „Erich Steinfurth“
hieß. Erst als ich auf einen Blogg von der Ortsdurchfahrt gestoßen bin und dort
fast identische Berichte dazu gelesen habe,
war es in dem Moment eine Erleuchtung.
Endlich hab ich für mich eine Möglichkeit gefunden, mir nach so vielen
Jahren mal alles von der Seele zu schreiben. Das tut so gut nicht alles nur in
sein Tagebuch schreiben zu müssen. Ich hab mal versucht es meinem Mann
anzuvertrauen. Aber ehrlich gesagt, hab ich mich da nie so ganz verstanden gefühlt.
Als wäre man gleich ein Fall für den Psychiater. Aus mir ist trotzdem ein
normaler Mensch geworden, nur ist das eben eine Episode dich mich so manchmal
an der Realisation meines Lebens hat scheitern lassen.
Geht es euch auch so? In machen Situationen, hab ich so eine Wut auf
solche Menschen. Egal wo ich Unrecht sehe auf der Welt, kommt das alles wieder
hoch. Ich hab dann das tiefe Bedürfnis dazwischen gehen zu müssen.
Das war soweit mein kleiner Erfahrungsbericht.
Sollte ich schlafende Hunde angesprochen haben, so hoffe ich das diese Personen sich noch guten Gewissens im Spiegel betrachten und Nachts in Ruhe schlafen können.
Mit lieben Grüßen
Eure Bussimaus